Ein Blick in die Zukunft des datengetriebenen Marketings

In diesem Interview haben wir das Vergnügen, mit Nikolas Reichardt zu sprechen.

Nikolas ist für sein hohes Engagement und seine Leidenschaft für Online-Marketing bekannt, was sich in seinem beeindruckenden Kundenportfolio und komplexen Projektumsetzungen widerspiegelt.

Seine strategische Herangehensweise und sein tiefes Verständnis für die Bedürfnisse seiner Kunden machen ihn zu einem geschätzten Partner für Unternehmen, die eine effektive und nachhaltige Online-Präsenz anstreben.

In unserem Interview spricht er über datengetriebenes Eventtracking in der Leadgenerierung, um die Customer Journey und das Mediainvestment zu verbessern.

Claudio Marseglia: Hallo Nikolas, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Kommen wir gleich zur ersten Frage: Wie wichtig ist Datentracking für den Erfolg einer digitalen Marketingkampagne?

Nikolas Reichardt: Für mich persönlich ist Datentracking absolut notwendig für die Durchführung einer Marketingkampagne. Es ist immer meine erste operative Projektphase, da ich mit den gesammelten Daten gemeinsam mit meinen Kunden informierte Entscheidungen für die Zukunft der Marketing-Kampagne treffen kann. Dies inkludiert und schafft somit nicht nur eine Vertrauensbasis. Kein Hokus Pokus, sondern gemeinsam abgestimmte, informierte Entscheidungen.

Bei digitalen Marketingkampagnen hat das Datentracking neben dem informierenden Level aber auch noch ein technisches und operatives Level. Ohne Datentracking können beispielsweise die Algorithmen des vollautomatisierten Mediaeinkaufs nicht funktionieren und richten ggf. mehr Schaden als Nutzen an. Endlose Lernphasen und Kontrollverlust sind hier die Folge.

Es ist dann eben eine Schatzsuche ohne Karte.

Geht es denn aber auch komplett ohne Datentracking? Unter Einschränkungen ist dies gut möglich.

Ein gutes Beispiel ist das „klassische“ Marketing (OOH, TV, Print), in dem es weiterhin Hochrechnungen bedarf, um überhaupt Aussagen über die erzielte Reichweite treffen zu können. Die Datenmodelle werden hier eher simuliert anstatt in einem Feldexperiment erhoben zu werden. Werbetreibende, die viel mit diesen Kanälen gearbeitet haben, wissen nicht über den Zweck eines Datentrackings Bescheid. Es bedarf dann oft einiger Beratungsleistungen, um die Komplexität der digitalen Werbewirtschaft verständlich aufzuzeigen.

CM: Ein fundiertes Datentracking ist damit essential. Welche Daten sollten für eine erfolgreiche Kampagne erfasst werden?

NR: Es sollten so viele Daten wie möglich und mindestens so wenig Daten wie nötig erfasst werden.

Es hängt von den jeweiligen Kampagnenzielen ab, welche exakten Daten über beispielsweise Anzeigenperformance oder Nutzerverhalten gesammelt und aufbereitet werden.

Weiterhin bevorzuge ich hier den Leitsatz „je mehr desto besser“.

Dieses Motto sollte verinnerlicht werden, und erst bei enormer Quantität, welche sich durch ggf. technische Kosten (wie Serverkosten) oder schwächere Nutzererfahrung (wie Seitenladezeiten) bemerkbar machen, in Frage gestellt werden.

Im einfachsten Fall sollten die Daten zwei Rückschlüsse über den Besucher erlauben.

  1. Ist der Besucher auf der Zielseite angekommen?
  2. Hat der Besucher ein vordefiniertes Event auf der Zielseite ausgelöst/erreicht?

CM: Interessant. Wie schätzt Du hat sich Datentracking im Laufe der Zeit entwickelt?

NR: Das Datentracking hat sich in nur kurzer Zeit bedeutend weiterentwickelt.

Für mich resultieren die Evolutionsschritte des Datentrackings aus zwei Gesichtspunkten.

Zum einen, da es erst kurzzeitig eine vielschichtige Customer Journey mit vielen Berührungspunkten auf unterschiedlichen Geräten gibt und zum anderen, weil es ein fundamentales Umdenken im Rahmen des Konsums von digitalen Produkten gab.

Diese Gesichtspunkte eröffnen neue Geschäftsfelder, welche durch immer wieder neue Start-Ups oder Technologien hervorragend bedient werden können.

Früher beschränkte sich das Datentracking auf Seitenaufrufe und Besucherzahlen. Internetseiten waren Aushängeschilder für Unternehmen, die zur Kontaktaufnahme dienten. Dies wandelte sich jedoch, als der Inhalt, welcher auf diesen Seiten (und vor allem auch in Social-Media-Netzwerken) ausgestellt worden ist, immer vielfältiger wurde.

Plötzlich waren nicht nur Seitenbesucher interessant, sondern vielmehr ihre Interaktion mit den präsentierten Inhalten.

Das Datentracking veränderte sich daher, von Seitenaufrufe zu Conversions und besonders Events, welche durch Besucher auf Seiten ausgelöst werden.

Heutzutage ermöglicht uns das Datentracking eine detaillierte Analyse des Nutzerverhaltens, die Erfassung von Interaktionen auf verschiedenen Plattformen und sogar die Verknüpfung von Offline- und Online-Daten.

CM: Es hat sich wirklich viel verändert. Mich interessiert auch, wie sich die aktuellen Datenschutzbestimmungen auf das Datentracking im digitalen Marketing auswirken. Kannst Du dazu etwas sagen?

NR: Datenschutzbestimmungen haben einen erheblichen Einfluss auf das Datentracking im digitalen Marketing. Mit der letztendlichen Einführung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und weiteren länderspezifischen Regulierungen beeinflussen diese Bestimmungen einfach gesprochen, dass jeder Seitenbesucher dem Websitebetreiber eine Einverständniserklärung übergeben muss, bevor dieser Verbindungen zu Drittanbieter aufbauen und diese über den Besuch des Seitenbesuchers informieren darf.

Die grundsätzlichen Ansätze Seitenbesucher über die Tätigkeit des Datentrackings zu informieren und ihnen eine bewusste Entscheidung zur Ablehnung zu geben finde ich absolut sinnvoll. Es existieren auch klare Vorschriften, wie Unternehmen diese Verordnungen zu erfüllen haben und letztendlich auch strukturierte Informationen über die Nutzung der Daten für Besucher in den Datenschutzbestimmungen des jeweiligen Websitebetreibers.

Das Problem ist jedoch wieder vielschichtiger als es aussieht und in der Realität leiden unter diesen Vorschriften meistens Klein- und Mittelständische Betriebe. Diese haben oft nicht die Kapazitäten und Ressourcen eigene Datenschutzabteilungen zu formen und nicht das notwendige Know-How die technischen Umsetzungen der DSGVO selbstständig durchzuführen.

Operativ bedeutet Datenschutz heutzutage die Einführung eines Consentmanagements, die Prüfung des technischen Umfangs der Website und allen beteiligten Drittanbietern und oftmals ein statistisches Modell, welches Daten zu Seitenbesucher ohne Einverständniserklärung simulieren muss.

CM: Vielen Dank für die Insights zu diesem Thema, wir könnten dazu sicher ein eigenes Interview führen. Zurück zum Data Tracking: Welche Tools und Plattformen empfehlen Sie für das Data Tracking?

NR: Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Tools und Plattformen für das Datentracking. Je nach den spezifischen Anforderungen eines Unternehmens kann hier eine Entscheidung getroffen werden.

Praktisch gibt es hier ausreichend Lösungen von amerikanischen Technologieunternehmen wie Google Analytics, Salesforce Marketing Cloud, Adobe Analytics, Mixed Panels, Kissmetrics und auch europäischen Anbietern wie Piwik Pro, Matomo, etracker.

Außerdem bieten Social-Media-Plattformen wie Facebook und LinkedIn eigene Tracking-Tools für ihre Werbeanzeigen. Wobei der Meta Konzern nach Einführung des iOS 14 App-Tracking-Consent am 01.07.2021 bereits ihr eigenes proprietäres Analytics-Programm gestoppt hatte, da eigene Messungen nicht mehr signifikante Ergebnisse darstellen konnten.

Die Wahl des richtigen Tools hängt von den Zielen, dem Budget und der Komplexität der Datenerfassung ab.

Ich persönlich arbeite am meisten mit Google Analytics, da sich diese kostenfreie Lösung exzellent mit weiteren Online Marketing Plattformen verknüpfen lässt und die meisten größeren Unternehmen mit diesen Technologie gewachsen sind.

CM: Okay, das bringt mich zur nächsten Frage: Wie können Unternehmen von Data Analytics profitieren?

NR: Unternehmen profitieren vielfältig von Data Analytics.

Maßgeblich können Unternehmen Kosten reduzieren, neue profitable Geschäftsfelder identifizieren und Prozesse effizienter gestalten.

Sie können wertvolle Informationen ihrer Kunden ableiten, die Customer Journey vereinfachen, personalisierte Angebote konzipieren und die Effektivität ihrer Marketingkampagnen deutlich steigern.

Die Branche fasst diese Begriffe oft zusammen und sagt lediglich „skalieren“.

Es bedeutet konkret, dass über eine Analyse herausgefunden worden ist, dass bei derzeitigem Investment mehr Leistung als Kosten verursacht werden und somit der Gewinn reinvestiert werden kann.

Ich habe eingangs erwähnt warum für mich persönlich Data Analytics wichtig ist. Reine Datenpunkte zu haben bringt niemanden etwas. Die Datenpunkte müssen ausgewertet und Informationen abgeleitet werden. Geschieht dies korrekt, können alle Beteiligten anhand der abgeleiteten Erkenntnisse informierte Entscheidungen treffen.

CM: Dies bringt sicherlich eine gewisse Komplexität mit sich. Welche Herausforderungen gibt es beim Datentracking und wie können diese überwunden werden?

NR: Bei dem Datentracking gibt es einige Herausforderungen zu beachten.

Es gibt natürlich die Hürde der Implementierung mit einer Prüfung des Systems von unterschiedlichen Geräten aus. Ebenfalls ist diese Prüfung regelmäßig zu wiederholen, da Softwareupdates bestehenden Systemen verändern.

Helfen können einem hierbei viele Tools, welche die Daten visualisieren und somit auffindbar machen können. Ich nutze hierfür einige Chrome Plugins wie den Google Tag Assistant, Tag Explorer, Wappalyzer, wasp.inspector, Tagbird, dataslayer, Google Analytics Debugger und Pixel Helfer von LinkedIn, Meta, TikTok, Pinterest, Microsoft und Nextroll.

Das Hauptproblem sehe ich aber in der richtigen Datenstruktur der auszuwertenden Daten und der zugrundeliegenden Datenqualität.

Es ist gut viele Daten zu besitzen, damit unterschiedliche Hypothesen mit diesen Daten jederzeit ausgewertet werden können. Gleichfalls sind viele Daten auch fehleranfällig, denn die Qualität der einzelnen Datenpunkte lässt sich so schwieriger validieren.

Es hilft hier fähige Mitarbeiter, welche in der Lage sind Messfehler zu identifizieren und die vorliegenden Daten richtig auszuwerten, an die Daten zu lassen.

CM: Verstehe. Kommen wir zur nächsten relevanten Frage: Wie wichtig ist Personalisierung im digitalen Marketing und wie kann sie durch Daten erreicht werden?

NR: Personalisierung im digitalen Marketing ist die Königsdisziplin, da in Echtzeit alle verfügbaren Daten richtig ausgewertet werden müssen, um der jeweiligen Person maßgeschneiderten Inhalt zu präsentieren. Es führt zu einer höheren Kundenbindung, einer Steigerung der Conversion-Raten und letztendlich zu einer besseren Customer Experience.

Social-Media-Netzwerke können Personalisierungen sehr gut umsetzen, da die jeweiligen Nutzerprofile Verhaltensdaten langfristig konsolidieren, um den Nutzern maßgeschneiderte Feeds anbieten zu können. Der Effekt ist oftmals eine gute Relevanz der Anzeigen zu den Zielgruppen, aber auch zunehmend teurere Inventarkosten für Werbetreibende oder wiederholende Lernphasen des Algorithmus.

Die richtige Botschaft zur richtigen Zeit an die richtige Zielgruppe zu senden ist jedoch auch auf der eigenen Website möglich. Mit dynamischen Inhalten kann hier ein einzigartiges Nutzererlebnis geschaffen werden, um die Vorteile der Personalisierung auch für seine proprietären Digitalprodukte nutzen zu können.

CM: Darüber können wir sicher noch einmal sprechen. Was mich jetzt noch interessiert: Wie wird das Data Tracking in Zukunft aussehen und wie können sich die Unternehmen darauf vorbereiten?

NR: In der Zukunft des Datentrackings wird es auf der einen Seiten weiteren technologischen Fortschritt und neue Geschäftsmodelle und auf der anderen Seite weitere Einschränkungen von bestehenden Methoden des Datentrackings geben.

Wir befinden uns also in einer ganz normalen Evolution des digitalen Marketings, wie wir es heutzutage kennen.

Ich denke, dass es mittelfristig, als Alternative zu den amerikanischen Modellen, neue Implementierungsmöglichkeiten für Websitebetreiber geben wird, Daten als proprietäre Datenbank aufzubereiten. Es wird ein größerer Fokus auf die Aufbereitung spezialisierter First-Partie Daten gelegt und mit leistungsfähigeren Maschinenalgorithmen und besseren Prozessoren die Datenauswertung deutlich effizienter gestaltet.

Fakt ist, dass die großen Player (Meta, Google, Apple, Microsoft, Adobe und Co.) im Zusammenspiel mit Politik, Lobbyarbeit und gesellschaftlicher Akzeptanz neue Wege finden werden Daten zu sammeln und auszuwerten.

Beispielsweise kooperierte das Interactive Advertising Bureau (IAB) bereits Ende 2022 mit Google bzgl. einer Namenskonvention für kontextuelle Targeting-Segmente aus First-Party-Daten. Ziel dieses Zusammenschlusses ist es, First-Party Daten vieler Vermarkter zu aggregieren, zu konsolidieren und gemeinsam als kontextuelles Zielgruppentargeting zur Verfügung zu stellen.

Also, ein gentlemens agreement unter Websitebetreiber zum Fortbestand des Datentrackings.

Es gibt aber auch Anbieter wie Matomo oder etracker, welche sich im europäischen Raum auf die Datenanalyse ohne Einverständniserklärung spezialisieren. Diese neuen Geschäftsmodelle können zwar nicht gezielt auf Retargeting und Zielgruppenbildung eingehen, müssen durch die größeren Datenmengen aber nur wenige statistischen Hochrechnungen anwenden, um das Nutzerverhalten der Seitenbesucher auszuwerten.

CM: Damit komme ich zu meiner letzten Frage für heute: Wie können Unternehmen sicherstellen, dass sie ethisch korrekt mit den Daten ihrer Kunden umgehen?

NR: Die ethische Nutzung der Daten ist immer erstrebenswert.

Wichtig ist es sicherzustellen, dass ich meine Methoden der Datenverarbeitung transparent und verständlich in der Datenschutzerklärung darstelle. Im Anschluss muss ich entweder zwingend eine Einverständniserklärung einholen, um die Daten durch Drittanbieter auswerten zu lassen oder mich um eine technische Lösung ohne Einverständniserklärung bemühen.

Es muss also sichergestellt sein, dass die Datenerhebung und die Datenauswertung nicht willkürlich zum Einsatz kommen. Dies sollte auch regelmäßig geprüft werden. Gute Kontrollwerkzeuge finden sich in den Chrome Plugins, welche ich vorhin erwähnt habe.

Mit diesen Maßnahmen ist bereits ein gutes Fundament für ein nachhaltiges Datentracking gelegt.

Datentracking wird auch nicht grundsätzlich verteufelt, lediglich die Möglichkeiten der Daten sind für viele angsteinflößend.

Im Prinzip sind Datensammlung und -auswertungen wissenschaftliche Methoden zur Hypothesenverifikation. Sie werden in den meisten Fällen nur dazu genutzt, das Produkt und das Nutzerverhalten zu verbessern.

Das gleiche Prinzip wie in jedem Straßenverkehr, Supermarkt oder jeder Einkaufsmeile.

Auffällig wird der Websitebetreiber nur, wenn Daten verkauft oder weitergeleitet werden, ohne dass hierfür ein Einverständnis eingeholt worden ist. Es handelt sich nämlich jetzt um eine stille Transaktion, welche nicht geduldet wird. Es hat grob etwas mit Nutzungsrechten zu tun, welche missachtet werden und für dessen Missachtung auch Kompensation gefordert werden kann.

Prüfen Werbetreibende ihre Methodiken der Datensammlung und nutzen sie ihre Daten nur für ihre eigene Auswertung, so haben sie in aller Regel nichts zu befürchten.

Viel Spaß beim Auswerten.

CM: Super. Nikolas, vielen Dank für dieses informative Interview. Deine Einblicke in die Welt des Datentrackings waren sehr wertvoll und helfen sicher, das Thema besser zu verstehen.

Claudio Marseglia

Claudio ist der Gründer von The Wachstum, das er als Nebenprojekt ins Leben gerufen hat. Hauptberuflich arbeitet er als Performance Marketing Manager bei Allane SE für die Marken Sixt Neuwagen und Autohaus24. Zuvor betreute er als Account Head bei der Agentur Publicis Media GmbH Kunden aus der Automobilbranche. Seinen Master in International Management hat er 2019 am King's College London abgeschlossen. Er liebt Verantwortung und managt aktuell Marketingbudgets in Millionenhöhe.

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